mit Teamer Andre Spänle

Da wären die unterschiedlichsten Schubladen oder Kategorien, in die man uns Karpfenangler aufteilen könnte. Es gibt die Kilo-Jäger, die Vereinsteich-Angler, die Fluss-Fischer, die Gesellschaftsangler, die Urlaubsangler und die Zielfisch Angler.

Mir würde schwer fallen mich selbst in eine der Beschreibungen einzuordnen, ich sehe mich in der ein oder anderen zu Teilen wieder. Auf einen der Angler-Typen möchte ich näher eingehen, einen, in dem ich mich selbst weniger sehe aber auf dessen Weg ich Erfahrungen gemacht habe, die ich gerne mit euch teilen möchte: dem Zielfisch Angler.

Ich mag wilde Gewässer, von welchem ich keinerlei Kenntnis über den Fischbestand habe. Die Frage nach dem „Was“ da so kommen wird, nicht wann oder ob es kommen wird. Eine Mission die kein festes Ende kennt, da es gar kein definiertes Ziel gibt. Genauso mag ich es aber auch, am Hausgewässer genau zu wissen was zu tun ist um Fische zu fangen. Oder an einem Gewässer die Zeit zu genießen, weil der Flair dort besonders ist. In dieser Geschichte geht es nicht um ein besonderes Gewässer, sonderum einen besonderen Fisch, welchen ich fangen wollte. Einen riesigen, wunderschönen Spiegelkarpfen. Im Laufe des letzten Jahres weckte eine Erzählungen über diesen Fisch mein Interesse an einem Gewässer, welches ich die Jahre zuvor nur sehr unregelmäßig befischte. Ein großer Baggersee mit viel Struktur und Kraut, in dem es einige schöne Karpfen zu geben scheint, denn schon im letzten Jahr konnte ich dort bei spontanen Kurzansitzen den ein oder anderen Fisch fangen. Ich machte es mir zur Aufgabe diesen besonderen Fisch zu fangen.

Es war gegen Ende April als ich den Entschluss fasste, an diesem Gewässer mein anglerisches Frühjahr zu verbringen. Voller Vorfreude kochte ich meine aus Hanf und Tigernüsse bestehenden Partikelmixe ab und begann mir zwei Futterplätze anzulegen.

Der erste Dämpfer ließ allerdings nicht lange auf sich warten. Bereits bei meiner allerersten Session auf meinem gewählten Platz musste ich feststellen, dass die Uhren hier gehörig anders ticken, als ich es gewöhnt bin. Die letzten Jahre hatte ich immer wieder das Glück, manche Gewässer nahezu für mich alleine zu haben, zumindest aber einen ganzen Seeteil oder Abschnitt. Jetzt musste ich dabei zuschauen, wie alleine im näheren Umkreis um meinen Angelplatz und meine beiden Spots den Abend über einige andere Angler vorbeikamen, um ebenfalls Futter einzubringen.

Hiermit musste ich mich wohl oder übel abfinden, wenn ich mein Ziel weiter verfolgen wollte, auch wenn ich bei derartiger Belagerung am liebsten an andere Gewässer geflüchtet wäre. Bereits nach einer Woche war klar, ich verlege meine Ansitze hauptsächlich auf Montag bis Freitag, während ich am Wochenende nur füttere oder dem Gewässer fernbleibe. Mit meiner flexiblen Arbeitszeit ist das vereinbar und ich konnte so dem ganz großen Angeldruck zumindest etwas ausweichen.

Doch dieser Druck ließ nach, leere Fangbücher und Schlechtwetterfronten waren die Gründe dafür. Die Wochen zuvor waren zäh und auch bei mir nicht von großem Erfolg geprägt. Aber ich fing immer wieder den ein oder anderen Fisch und biss mich immer wieder fest, wenn die Motivation nachließ. Ich war mir sicher, die Wende musste früher oder später kommen. Und sie kam, tosend angekündigt durch Regen und Sturm.

Es war mittlerweile Anfang Juni, von Sommer jedoch keine Spur. Mein Thermometer im Auto zeigte milde 15°C an, als ich mich Sonntag abends auf den Weg ans Wasser machte.

Ich ruderte meinem Spot entgegen, Wasser schwappte in mein Faltboot und der Wind peitschte mir Regentropfen ins Gesicht. Wie so oft schon setzte ich den Marker als sich mein GPS Punkt mit meinem gespeichterten Spot überschnitt. Trotz Wind und Wellen legte ich die Ruten präzise ab, fütterte einige Hände Insect-Boilies und Partikel großflächig dazu und ruderte zurück.

Gegen Mitternacht bekam ich den ersten Biss. Diesem folgten vier oder fünf weitere, ich weiß es nicht mehr genau: Brassen, eine Schleie und ein kleiner Schuppenkarpfen.

Ich hatte kaum geschlafen in dieser Nacht als gegen halb 6 Uhr meine rechte Rute wieder abpfiff. Ein wunderschöner Halbzeiler war das Ergebnis. Völlig übermüdet brachte ich die Montage wieder ins Rennen. Als ich zurückgerudert war, hing der Hänger meiner zweiten Rute nicht mehr in der Schnur. Die Schnur zeigte jedoch exakt in Richtung Spot und ich klippte den Hänger wieder ein. In der Hoffnung noch ein wenig Schlaf nachholen zu können legte ich mich wieder hin, nur um kurz darauf wieder aufzuspringen.

Mein Hänger fiel komplett durch. Zwischen 20 und 30 Meter Schnur kurbelte ich ohne Widerstand ein bis sich Spannung aufbaute. Ich stieß mein Boot ab und stieg im knietiefen Wasser in meine Falte. Während mein linkes Bein noch in der Luft hing, ging ein Ruck durch meine Rute und aus dem nichts zog mein Gegenüber im Eiltempo Schnur von der Rolle. Der Einschlag war so heftig, dass ich mein Gleichgewicht verlor und mein Faltboot und ich zur Seite kippten. Ich stand wieder auf, Faltboot und Watthose waren mit Wasser gefüllt aber der Fisch hing noch dran, es musste weiter gehen! Gegen den Wind dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich über einem Krautfeld ankam in dem meine Schnur verschwand. Nach einer Weile härtestem Drill war mein Gegenüber frei und zog unter meinem Boot seine Kreise. Im klaren Wasser sah ich mehrere Meter unter mir einen riesigen Karpfen der sich zur Seite drehte und mir seine Flanke präsentierte. Er war es! Im selben Moment in dem ich realisierte dass ich meinen Zielfisch gehakt hatte, blockierte meine Rolle! Nichts ging mehr, obwohl uns nurnoch ein paar Meter Schlagschnur voneinander trennten. Zig Krauthalme hatten sich um meinen Spitzenring gewickelt. Ich war fassungslos, so nahe am Ziel und plötzlich schien mir alles zu entgleiten. Den Fisch mit der Hand zu drillen wäre unmöglich, die heftigen Fluchten sehr wahrscheinlich nicht abfederbar. Ich warf die Rute über Board und riss das Kraut von der Schnur.

Bei völlig entspannter Schnur stand er plötzlich direkt vor mir, knapp unter der Oberfläche. Was für ein Moment! Kaum hatte ich wieder Kontakt aufgenommen schoss der Koloss in die Tiefe. Es folgten mehrere brachiale Fluchten, bis ich endlich den Kescher unter meinen Zielfisch schieben konnte.

Langsam ruderte ich zurück ans Ufer. Es gab keinen Grund mehr zur Eile, die Rute würde sowieso nicht mehr ausgebracht werden an diesem Morgen. Ich genoss den kalten Wind im Gesicht, ich war ganz wach, die Müdigkeit war wie weggeblasen.

Über 31 Kilogramm perfekten Karpfen hiefte ich auf meine Matte, doch mich beschlichen gemischte Gefühle. Natürlich waren da Freude und Stolz, einen derartigen Fisch zu fangen, nach viel harter Arbeit und investierter Zeit. Unzählige Male hatte ich das Boot aufgebaut, Futter vorbereitet und Partikel abgekocht, zig Kilometer gefahren, nur für diesen kurzen Moment? Versteht mich nicht falsch, ich war mega happy!

Die Glücksgefühle überwogen total, aber es kam etwas anderes hinzu, Gefühle wie am Ende einer langen Reise. „Der Weg ist das Ziel“, eine so abgedroschene Floskel und doch so passend in diesem Moment, schoss es mir durch den Kopf.

Möchte ich nur noch angeln gehen, um Haken hinter bestimmte Fische zu setzen? Dem „Wann“ nachzulaufen, anstatt dem „Was“ auf den Grund zu gehen, wie zu Beginn angesprochen? Immer wieder Enttäuschung zu verspüren, weil ein anderer, kleiner oder nicht so schöner Fisch im Netz liegt, anstatt mich über jeden einzelnen Fisch zu freuen? Ich fürchte, dauerhaftes Zielfisch-jagen würde mir den Spaß an der Sache nehmen.

Einfach nur angeln gehen, völlig unbeschwert, das mache ich am liebsten.

Besonders große und außergewöhnliche Karpfen sind das Salz in unserer Suppe, nicht aber alleiniger Antrieb das zu tun, was wir eben tun. Einzig der Philosophie „Höher, Schneller, Weiter“ zu folgen bestimmt schon in den meisten Bereichen unser alltägliches Leben. Hin und wieder befreie ich mich da lieber davon, gerade beim Angeln.

Andre Spänle


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